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Gerechtigkeit vs. Fairness: Ist Gerechtigkeit fair? Ist Fairness gerecht?

Ein Blick auf unterschiedliche Wertesysteme von Jägern und Sammlern bis zur westlichen Leistungsgesellschaft – Inspiriert von Terra X: Gerechtigkeit

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Was macht unsere Welt wirklich besser? Oftmals fallen uns Fortschritte in Technologie, Medizin oder Umweltschutz ein. Doch im Kern vieler Bemühungen um ein friedlicheres und prosperierendes Zusammenleben liegt ein fundamentaler Wert: das Spannungsfeld zwischen Gerechtigkeit und Fairness. Während Gerechtigkeit oft nach objektiven, allgemeingültigen Prinzipien strebt, die gleiche Rechte und Chancen für alle sichern sollen, betont Fairness die Berücksichtigung individueller Umstände und Anstrengungen in einer konkreten Situation.


In der Ära, in der das Überleben von der Jagd und dem Sammeln wilder Ressourcen abhing, waren die Menschen auf enge Kooperation angewiesen. Das gemeinsame Ziel, Nahrung zu sichern und Gefahren abzuwehren, schuf eine Kultur der gegenseitigen Abhängigkeit. Die These von Terra X legt nahe, dass in diesen Gemeinschaften erlegte Beute und gesammelte Nahrungsmittel in der Regel gerecht aufgeteilt wurden, da das Wohlergehen jedes Einzelnen direkt zum Überleben der Gruppe beitrug. Hier scheint das Prinzip der Bedarfsgerechtigkeit im Vordergrund gestanden zu haben – eine Verteilung, die sicherstellt, dass jeder die notwendigen Ressourcen erhält. Egoismus und unfaire Verteilung, bei der Einzelne unverhältnismäßig viel beanspruchten, hätten die Gemeinschaft als Ganzes gefährdet.


Der Übergang zum Ackerbau und die Sesshaftwerdung markierten einen Wendepunkt. Mit der Entwicklung von Landwirtschaft und Viehzucht entstanden neue Formen der Ressourcengenerierung und des Besitzes. Mit dieser Entwicklung nahmen auch die Herausforderungen für eine gerechte Verteilung zu. Die Möglichkeit, Überschüsse zu produzieren und anzuhäufen, schuf Anreize für Ungleichheit und die Entstehung von Hierarchien. Das Konzept von Privateigentum trat stärker in den Vordergrund, was potenziell im Widerspruch zu einer rein bedarfsorientierten Gerechtigkeit stand und Raum für unterschiedliche Vorstellungen von Fairness schuf, beispielsweise basierend auf dem erbrachten Beitrag zur Produktion.


Das Experiment


Das Experiment bei Terra X verdeutlichte einen interessanten Unterschied im Verständnis von Fairness. Dort sollten Kinder aus verschiedenen Kulturen etwas unter sich aufteilen, und es wurde deutlich, dass bei den westlichen Kindern, wie in Deutschland, das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit vorrangig war. Wer mehr "leistete", erwartete einen größeren Anteil – dies wurde als fair empfunden. Im Kontrast dazu stand die Beobachtung bei Kindern aus Jäger- und Sammlerkulturen in Äthiopien, wo das Prinzip der Gleichheit oder möglicherweise der Bedarfsgerechtigkeit im Vordergrund stand – eine gleichmäßigere Verteilung schien hier wichtiger zu sein, um sicherzustellen, dass jeder genug hat.


Diese unterschiedlichen Prioritäten verdeutlichen, dass während Industriekulturen, wie die deutsche, oft auf Leistung fixiert sind und dies tief in ihren sozialen Normen verankert ist, andere Kulturen möglicherweise andere Wertesysteme pflegen. Hier zeigt sich die Spannung zwischen einer leistungsbezogenen Fairness und einer stärker auf Gleichheit oder Bedarf ausgerichteten Gerechtigkeit.


Aber ist der Mensch bedürfnisorientiert - "gerecht" im Sinne der Sicherstellung grundlegender Bedürfnisse - oder eher leistungsorientiert - "fair" im Sinne der proportionalen Belohnung von Anstrengung - gepolt? Kinder im frühkindlichen Alter zeigen oft eine ausgeprägte Geberbereitschaft, teilen gerne und geben ab. Die Erfahrung von bedürfnisorientierter Zuwendung durch die Eltern prägt die Kinder tief. Mutter und Vater reagieren instinktiv auf die Bedürfnisse des Kindes und geben, was es gerade braucht. Dieses frühe Beziehungsmodell, das von Geben und Empfangen geprägt ist, könnte tatsächlich eine Grundlage für die kindliche Geberbereitschaft legen und ein intuitives Verständnis von Gerechtigkeit als Bedarfsdeckung fördern.


Was denken Sie? In unserer modernen Gesellschaft und Wirtschaft, wo oft die Leistung im Vordergrund steht, welche Rolle spielt das Streben nach Gerechtigkeit im Sinne von Chancengleichheit und Bedarfsdeckung? Wo sehen Sie die Balance zwischen dem, was als leistungsgerecht und dem, was als sozial gerecht empfunden wird? Ist Gerechtigkeit fair, ist Fairness gerecht? Diskutieren Sie mit!



 
 
 
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